Mit harter Hand gegen abgewiesene Asyl suchende Menschen
Abgewiesene Asyl suchende Menschen erleben im Kanton Zürich gegenwärtig die schlimmste Zeit seit Jahren. Und dies ausgerechnet unter einem Sicherheitsdirektor der Sozialdemokratischen Partei.
Seit Mai dieses Jahres betreibt Sicherheitsdirektor Mario Fehr eine rigorose „Eingrenzungs“-Praxis. Menschen, deren Asylgesuch abgelehnt worden ist, werden auf den Bezirk ihrer Wohngemeinde oder auf die Wohngemeinde selbst eingegrenzt beziehungsweise vom öffentlichen Leben ausgegrenzt. Sie dürfen den eingegrenzten Raum nur ausnahmsweise und mit Bewilligung verlassen. Widerhandlung steht unter Busse oder Haftstrafe. Die Produktionsflut von Eingrenzungsverfügungen seines Migrationsamtes scheint Fehr zeitweise aus dem Ruder gelaufen zu sein. Viel zu lange argumentierte er, dass hauptsächlich straffällige Personen von dieser Praxis betroffen sein würden – offenbar ohne zu bemerken, dass diese längst für alle abgewiesenen Asyl suchende Menschen Realität geworden ist.
Sicherheitsdirektor Mario Fehr hält trotzdem unbeirrt an seinem Kurs fest. Menschen ohne gesetzliche Aufenthaltsberechtigung sollen mit allen unmöglichen Mitteln zum Verlassen der Schweiz gezwungen werden. Dabei wird bewusst in Kauf genommen, dass die physische und psychische Integrität der von diesen Massnahmen betroffenen Menschen regelmässig verletzt wird.
Doch damit nicht genug. Seit bald neun Jahren gilt das Nothilferegime grundsätzlich für alle abgewiesenen Asyl suchende Personen. Einige verletzliche Personen sind allerdings vom kantonalen Sozialamt davon verschont geblieben. Damit ist nun aber Schluss. Seit kurzem zwingt der Sicherheitsdirektor auch diese Personengruppe systematisch in die Notunterkünfte. Zum Beispiel Frau Haile*, die bis vor einem Monat in Zürich lebte, seit Jahren wegen einer schweren Posttraumatischen Belastungsstörung in regelmässiger, ambulanter psychiatrischer Behandlung ist und dringend wenigstens ein Minimum an Stabilität benötigt. Oder Frau Taye* und ihre beiden eingeschulten Kinder. Sie lebten bis vor zwei Wochen in einer Zürcher Gemeinde. Die Kinder wurden nun aus ihrem vertrauten Umfeld herausgerissen, die Familie in eine Notunterkunft verbracht.
Fehr setzte sogar nochmals einen drauf: Abgewiesene Asyl suchende Menschen, die sich in einem hängigen Wiedererwägungsverfahren befinden und berechtigt sind, den Entscheid in der Schweiz abzuwarten, werden neuerdings ebenfalls dem Nothilferegime unterstellt und in Notunterkünfte transferiert.
Nicht, dass das kantonale Sozialamt sich zuvor mit Grosszügigkeit ausgezeichnet hätte. Im Gegenteil, die Regel war schon immer die Nothilfe. Aber wenigstens wurde der „Einzelfall“ noch angeschaut, bevor verfügt wurde.
Bei den „Eingrenzungen“ und dem neuen Nothilferegime zeigt sich also eine Gemeinsamkeit: Abgewiesene Asylsuchende sind für die Sicherheitsdirektion (definitiv) zum Massengeschäft geworden. Der Mensch steht, wenn überhaupt, im Hintergrund.
Klar, die Gesetze geben Fehr Recht. Das Ausländergesetz ermöglicht es, „Eingrenzungen“ zu verfügen. Die Nothilferegelung im Asylgesetz wurde mit der vorletzten Teilrevision des Asylgesetzes verschärft und das kantonale Sozialhilfegesetz sieht bei „unberechtigtem“ Aufenthalt nur Nothilfeleistungen vor. Einzig die kommentierte Nothilfeverordnung spricht von Handlungsspielräumen für „besonders verletzliche Personen“. Das System ist grausam. Geändert werden kann es nur durch die Bevölkerung in Wahlen und Abstimmungen.
Ein Sicherheitsdirektor ohne Handlungsspielraum, also? Mitnichten. Fehr demonstriert mit seiner harten Hand gerade das Gegenteil. Paradoxerweise im Vergleich zu seinem bürgerlichen Vorgänger Hans Holenstein, dem all diese menschenunwürdigen Schikanen nicht in den Sinn gekommen sind. Unter Holenstein war es für abgewiesene Asyl suchende Menschen nicht besser - aber nicht so schlimm wie heute.
*Name geändert
Zürich, 8. Dezember 2016