Pilotprojekt: Rechtsvertretung im Ausländerrecht für Armutsbetroffene

Personen ohne Schweizer Pass, deren sogenannte «Integrationsbemühungen» von den Behörden als ungenügend bewertet werden, müssen seit der Revision des «Ausländer- und Integrationsgesetzes» (AIG), welches per 1. Januar 2019 in Kraft trat, mit noch gravierenderen Folgen als bisher für ihr Bleiberecht rechnen. Bei jeder Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung prüfen kantonale Migrationsämter, ob eine Person die im AIG definierten «Integrationskriterien» erfüllt. Werden die Integrationsbemühungen als ungenügend bewertet, erlässt das Migrationsamt eine Massnahme: Verwarnung, Rückstufung von einer Niederlassungs- zu einer Aufenthaltsbewilligung (C auf B) oder Widerruf der C- oder B-Bewilligung, was die Wegweisung aus der Schweiz zur Folge hat.

Eines dieser «Integrationskriterien» ist die Sozialhilfeunabhängigkeit. Wenn Personen Sozialhilfe oder Ergänzungsleistungen beziehen müssen, droht ihnen eine der genannten Massnahmen. Dies gilt auch für Personen, welche bereits mehrere Jahre oder sogar Jahrzehnte in der Schweiz leben. Seit der Revision des AIG hat deshalb die Angst der betroffenen Personen, ihren Aufenthalt in der Schweiz aufgrund des Bezugs von Sozialhilfe zu verlieren, zu Recht zugenommen. Einige Personen melden sich daher von der Sozialhilfe ab, obwohl sie sich in einer prekären finanziellen Lage befinden. Andere trauen sich erst gar nicht, wirtschaftliche Sozialhilfeleistungen zu beantragen, obwohl sie einen Anspruch darauf hätten.

Für Personen, die eine vorläufige Aufnahme (F) haben, stellt der Bezug von staatlichen Unterstützungsleistungen ein Hindernis dar, wenn sie eine Aufenthaltsbewilligung (B) beantragen. Dies ist äusserst problematisch, denn mit einer ordentlichen Aufenthaltsbewilligung würde sich ihre Rechtsstellung massiv verbessern: mehr Aufenthaltssicherheit, Erleichterungen beim Familiennachzug, stark verbesserter Zugang zum Arbeits- und Wohnungsmarkt, Reisefreiheit und die Möglichkeit auf freie Wohnsitznahme in der Schweiz.

Die prekären Aufenthaltstitel der vorläufigen Aufnahme (F) und der Aufenthaltsbewilligung (B) kritisiert die Freiplatzaktion Zürich (FPA) schon lange: Sie sind befristet, mit beschränkten Rechten verbunden und an zahlreiche Bedingungen geknüpft. Die Betroffenen stehen unter permanentem Druck, sich zu «integrieren» – wobei Arbeitstätigkeit und Sozialhilfeunabhängigkeit aus Behördensicht zentral sind – wenn sie ihr Aufenthaltsrecht nicht verlieren wollen. Deshalb sehen sich viele Personen mit prekären Aufenthaltstiteln gezwungen, schlecht bezahlte Anstellungen anzunehmen, um ihren Aufenthalt in der Schweiz nicht zu gefährden, statt z. B. eine Ausbildung zu absolvieren, um sich nachhaltig wirtschaftlich integrieren zu können. Dies führt zu einer staatlich produzierten Unsicherheit und Marginalisierung, wie wir schon im Jahr 2022 in unserem Rundbrief 4/2022 kritisiert haben.

Wir beraten und vertreten die von den erwähnten Massnahmen betroffenen Personen in diesen Verfahren seit vielen Jahren. Ab dem Jahr 2025 wird das Engagement der FPA in diesem Bereich im Rahmen des dreijährigen Pilotprojekts «Rechtsvertretung und -beratung im Ausländerrecht» vom Sozialdepartement der Stadt Zürich gefördert. Für die Betroffenen ist es entscheidend, dass sie aufgrund ihrer knappen finanziellen Mittel Zugang zu einer kostenlosen Rechtsberatungsstelle haben und rechtlich kompetent vertreten werden.